Die Rückkehr des Weissstorchs ins Alpenrheintal seit den 1980er Jahren ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Die während Jahrzehnten verschwundene Art ist wieder faszinierender Alltag geworden.
In den im November 2019 erschienenen WERDENBERGER GESCHICHTE|N 2 findet sich ein umfassender Bericht über die Rückkehr des in früheren Jahrhunderten im Alpenrheintal verbreiteten Weissstorchs (Ciconia ciconia). Verfasser ist der Ökologe Reto Zingg, der im Zusammenhang mit den Wiederansiedlungsversuchen von Max Bloesch im solothurnischen Altreu auch im St.Galler Rheintal temporäre Auswilderungsstationen initiierte, den Verein Rheintaler Storch gründete und mit seinem unermüdlichen Engagement kaum für möglich gehaltene Erfolge erzielte.
Noch im 19. Jahrhundert war der Weissstorch im Alpenrheintal ein verbreiteter Brutvogel. Es gab zwischen dem Werdenberg und dem Bodensee wohl kaum ein Rheindorf ohne ein bis zwei Brutpaare. 1827 sollen auf Schloss Werdenberg sogar sechs Paare gebrütet haben. Einen frühen bildlichen Beleg findet sich im Zusammenhang mit dem Brand von Altstätten 1567. Die Darstellung aus der Wickiana zeigt mehrere über der brennenden Stadt fliegende Störche – ein Hinweis des Chronisten auf Adebars Häufigkeit. Eine Ansicht (um 1795) des Werdenberger Sees mit der Buchser Kirche im Hintergrund zeigt auf dem Kirchendach zwei Storchenhorste und Störche. Und eine Darstellung des Zeichners und Malers Traugott Schiess (1834–1869) vom Juli 1851 zeigt das Hochhus in Grabs mit einem Dachhorst und einem Storchenpaar. In den folgenden Jahrzehnten aber ging der Bestand rapid zurück. Anfang des 20. Jahrhunderts verschwand der Weissstorch im Alpenrheintal gänzlich; die letzten bekannten Bruten gab es um 1923 bei Kriessern und Eichberg. Auch schweizweit verschwand der Vogel. Zählte man um 1900 im Mittelland noch rund 140 Nester, war 1949 noch ein einziges Paar zu verzeichnen. Als 1950 auch dessen Horst verwaist blieb, galt Ciconia ciconia in der Schweiz als ausgestorben. Kurz zuvor aber, nämlich 1948, hatte Max Bloesch in Altreu seine Storchensiedlung gegründet (vgl. auch https://www.storch-schweiz.ch/wissen/lebensraum-storch/geschichte-storchenschutz/).
Wie es dazu kam, dass es in der Schweiz heute wieder über 560 Brutpaare gibt und im Alpenrheintal (St.Gallen, Vorarlberg und Liechtenstein) 2019 130 Paare gezählt werden konnten, ist in den WERDENBERGER GESCHICHTE|N 2 dokumentiert (S. 277–291).
Der Weissstorch ist inzwischen auch im nördlichen Werdenberg, besonders in der Gemeinde Sennwald, wieder heimisch und manchenorts zum Nachbarn geworden wie das von Hans Jakob Reich im Frühjahr 2020 mit der Kamera begleitete junge Paar. Die Störchin mit Jahrgang 2017 stammt aus Niederuster ZH und wurde 2018 auf dem Herbstzug in Saint-Pée-sur-Nivelle im Département Pyrénées-Atlantiques festgestellt. Ihr ein Jahr jüngerer Partner wurde 2018 in Uznach SG beringt. Die beiden nahmen Ende März 2020 den bis dahin noch nie von einem Brutpaar belegten Horst im Salezer Oberdorf in «Besitz» und verteidigten ihn erfolgreich gegen aggressiv störende Artgenossen. Am 26. April 2020 zeigten sie erstmals eindeutiges Brutverhalten. Und am 28. Mai 2020 dürfte das erste Küken geschlüpft sein.
Siehe auch:Â https://www.edition-wgl.ch/blog/drama-im-storchenhorst/Â
Â
HJR